Anfang März verbrachte ich endlich mal wieder Zeit mit ehemaligen Arbeitskolleg*innen. Wie in den letzten Jahre waren wir in einem ehemaligen Bauernhof direkt an der Skipiste untergebracht. Die mitreisenden Schüler*innen der Gelsenkirchener Hauptschule genossen die Woche über den Ausblick auf die Berge, für manche der erste Anblick der Alpen und für viele die ersten Abfahrten. Dabei war vor der Abreise der Corona-Virus schon Thema in den Medien, aber die flächendeckenden Schulschließungen konnte man damals noch nicht absehen und auch die Behörden hielten die Reise nach Südtirol noch für eine gute Idee.
Viele der mitreisenden Schüler*innen kannte ich noch aus meiner Zeit an der Schule. Dementsprechend drehten sich viele Gespräche auch um das Thema Digitalpakt und die Mediennutzung in der Schule. Wer macht aktuell schon was im Unterricht? Was nutzt ihr privat? Kurz vor Ende meines Einsatzes als Fellow wurde durch die Stadt in allen Klassen eine Interaktive Tafel angebracht. Am Unterricht hat sich dadurch wenig verändert, sagte man mir. Das Kollegium möchte anstatt des digitalisierten Frontalunterrichts auf mobiles Lernen umstellen, ohne WLAN oder Endgeräte für die Schüler*innen ist dies aktuell noch nicht möglich. Wie geht’s jetzt weiter und was plant der Schulträger? Aus den Gesprächen mit den Lehrkräften blieb mir der Eindruck, es tut sich etwas, wenn auch langsam. Bald soll jedenfalls ein Lernmanagementsystem in der Schule eingeführt werden, worauf die Schüler*innen dann auch Zuhause Zugriff auf ihre Aufgaben, einen Klassenchat und einen Kalender haben.
Auf der Rückreise drehten sich die Gespräche dann nur noch um das Corona-Virus. Nach einem Anruf des Schulleiters bricht bei unseren Schüler*innen Jubel aus. Uns wurde vom Gesundheitsamt mitgeteilt, dass Südtirol vom RKI zum Hochrisikogebiet eingestuft wurde und wir die nächsten zwei Wochen in häuslicher Quarantäne verbringen sollten. Damals ahnten wir noch nicht, dass eine Woche später alle Schulen in NRW schließen würden.
Viele dieser Schüler*innen im Bus und in ganz NRW stehen jetzt nicht nur kurz vor der Abschlussprüfung, sondern sie müssen sich nun auch noch der Herausforderung Selbstmanagement und dem vermehrten Einsatz von Tools zur Aufrechterhaltung des Unterrichts stellen, womit sich ebenso aktuell auch die Student*innen in unserem Land befassen. Ein Smartphone haben die meisten Jugendlichen, aber wie lange hält das Datenvolumen oder wie oft kann man den frequentierten Laptop der Familie nutzen. In manchen Familien hat jeder mehrere Endgeräte, während wiederum andere sich zu viert oder fünft eins teilen. Dann entscheidet noch, wie ausgeprägt die Medienkompetenz der Lernenden und Lehrenden ist und wie schnell man hinzu lernt.
Es stellt sich die Frage, wie wir nun damit umgehen, dass viele Schüler*innen, die wir als abgehängt bezeichnen, nun zusätzlich auch noch diese Herausforderung meistern müssen? Es zeigt sich aktuell auch, dass einige Schüler*innen für die Lehrkräfte außerhalb des Schulgebäudes schwer erreichbar sind. Diese würde man sonst ganz sicher immer wieder in der Schule antreffen und auf ihre Bedarfe eingehen können. Viele Lehrkräfte überlegen sich aktuell kreative Wege, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken. Wir müssen uns trotzdem bewusst machen, dass einige Schüler*innen sowie auch Lehrkräfte und sogar Schulen aktuell abgehängt sind. Die abrupte Umstellung auf Homeschooling mit Chancen für alle ist eine große Herausforderung für uns als Gesellschaft. Es gilt sie jetzt bestmöglich zu gestalten.
Jetzt ist die Zeit des Ausprobierens und des Scheiterns sowie der Achtsamkeit und Solidarität.
Packen wir es gemeinsam an!
ZUM AUTOR
KOLJA BRANDTSTEDT
Stv. Teamleiter Pacemaker Initiative
„Es braucht mehr Mut zu Veränderung in Schule – lasst uns gemeinsam anpacken.“
Beitragsbild: Photo by Charlie Firth on Unsplash
Autorenbild Kolja: Fabian Tode