Der erste Schultag ist ein besonderer Tag im Leben eines Kindes. Auch die meisten Eltern fiebern ihm entgegen. Es gibt Einschulungsfeiern und jedes Kind wird persönlich in der Schule willkommen geheißen. Der erste Schultag definiert in großem Maße, wie ein Kind aber auch seine Eltern in der Schulwelt ankommen.
Mittlerweile bereiten sich immer mehr Schulleiterinnen und Lehrer auf die Wiedereröffnung der Schulen vor. Die Vorbereitungszeit hierfür ist für alle Beteiligten überaus knapp. Allein die logistischen Vorkehrungen bieten Potential für Frustration und Überforderung. Gleichzeitig wissen sehr viele Lehrer wenig über die Erlebnisse ihrer Schüler. Die Erfahrungen der Kolleginnen mit dem Unterricht aus der Distanz dürften noch viel weniger bekannt sein. Wirklich klar scheint zumindest, dass auch jetzt viele Schülerinnen dem Wiedersehen mit ihren Lehrern und Mitschülern entgegenfiebern.
Der erste Schultag nach der flächendeckenden Schulschließung wird sicherlich ebenso wie der Einschulungstag bestimmen, wie sich die Kinder und Jugendlichen zukünftig in den Schulalltag einbringen werden. Ebenso – und das wird öffentlich noch viel zu wenig diskutiert – wird in den ersten Stunden und Tagen angelegt, wie die Schüler und Schülerinnen lernen, mit ihren Krisenerfahrungen jetzt aber auch in ihrem weiteren Leben umzugehen.
Mit welchen Gesten und mit welcher Haltung wird den Schülerinnen begegnet? Werden sie persönlich von der Schulleiterin am Schultor begrüßt? Wird die erste Frage lauten, wie es einem persönlich geht? Wird in der Gruppe über Erfahrungen, Gefühle und Ängste gesprochen? Teilen sich Lehrerinnen gegenüber ihren Kollegen aber auch gegenüber ihren Schülern mit? Oder starten wir mit dem Austeilen von Hygieneregeln und dem Aussprechen von Verboten? Wird dem Zwang widerstanden, jetzt mit Hochdruck den verpassten Fachstoff nachzuholen? Es werden diese Richtungsentscheidungen sein, mit der jede Schule und jede einzelne Lehrerin die Verantwortung für die Beziehungs‑, Kommunikations- und Lernkultur in ihrer Schule übernimmt.
Wichtig ist einfach, dass sich alle Schülerinnen auch bei diesem Wiedersehen trotz der weiter bestehenden Sondersituation willkommen fühlen. Jetzt ist zwar nicht die Zeit zum Feiern. Das Wiedersehen sollte sich dennoch gleich dem ersten Schultag wie ein Festtag anfühlen.
ZUM AUTOR
MAREK WALLENFELS
Sozialunternehmer aus Leidenschaft;
im Einsatz für Bildungsinnovationen und mehr Bildungsgerechtigkeit:
„Gesellschaftlicher Zusammenhalt ist ohne faire Bildungs- und Aufstiegschancen nicht zu haben.“